Denn ich fresse nicht nur Jungfrauen!

Donnerstag, 10. März 2016

Rezension: Königin im Exil von George R.R. Martin, Gardner Dozois (Hrsg.)


Erwartungen sind alles bei „Königin im Exil“ (Original Dangerous Women), herausgegeben von George R.R. Martin und Gardner Dozois. Versprochen werden im Vorwort von Dozois Powerfrauen und Amazonen und keine zarten Prinzessinnen und schmachtende Hausfrauen. Hier erschlägt die Prinzessin selbst den Drachen und zeigt dem Prinzen, wer hier die Hosen anhat. Die üblichen Genderklischees der schwachen Frau, die sich bereitwillig von ihrer großen Liebe unterbuttern lässt, sollen hier nicht bedient werden.

„Königin im Exil“ ist eine Anthologie mit insgesamt 21 Kurzgeschichten und Novellen quer durch alle Genres. Belletristik, Historik, Mystery, Fantasy, Science-Fiction. Es finden sich hier viele bekannte Namen wie Brandon Sanderson, Diana Gabaldon und Joe Abercrombie. Die meisten von ihnen brachten Kurzgeschichten in den Universen ihrer bekannten und erfolgreichen Reihen heraus, so auch Martin, welcher eine weitere Geschichte aus Westeros abliefert, Sanderson mit einem Text aus dem Cosmere und Gabaldon mit der Vorgeschichte ihrer Highlander-Saga.

Gardner Dozois hat keinen Text in dem Werk, schrieb dafür aber das Vorwort und stellt vor jeder Kurzgeschichte den Autoren vor. Im Vorwort werden die Autoren in höchsten Tönen gelobt und hohe Erwartungen stellen sich alsbald ein. Alle Werke seien von Weltklasse, das Ungewöhnliche, das noch nie Dagewesene sei zu erwarten, Frauen die austeilen können und ihre männlichen Bundesgenossen dagegen alt aussehen lassen.

Die meisten der Texte sind für sich genommen gar nicht so übel. Es gibt teils deutliche Ausrutscher sowohl nach oben als auch nach unten, wie es bei einer Anthologie zu erwarten ist. Die breite Masse ist jedoch eher mittelmäßig. Annehmbar also, nett für ein bisschen Unterhaltung zwischendurch. Betrachtet man viele dieser Texte genauer und stellt sie vor allem in den Kontext der Anthologie, gefährliche Frauen, dann sieht die Sache schon anders aus.

Erwartungsgemäß war Brandon Sandersons Werk „Schatten für Stille in den Waldungen der Hölle“ herausragend. Allein der Titel ist ein Kunstwerk für sich! Er trifft den Inhalt des Textes exakt und ist doch so außergewöhnlich, dass schon allein das neugierig macht, was er damit wohl ausdrücken will.

Auch Diana Gabaldons Text „Unschuldsengel“ hatte Konsistenz, wenn auch mit einigen kleinen stilistischen Schnitzern, die allerdings bei weitem nicht so sehr ins Gewicht fielen wie bei manch anderem Text.

Eine kleine angenehme Neuentdeckung war „Nachbarn“ von Megan Lindholm, ein Text, der am ehesten noch der Mystery zuzuordnen ist. Die schon etwas reifere Dame Sarah macht sich Sorgen um ihre spurlos verschwundene Nachbarin. Diese wird nie gefunden und schon bald hat die amerikanische Kleinstadt den Fall auch vergessen. Nur Sarah lässt es keine Ruhe. Währenddessen macht sich ihr Sohn Sorgen um sie, dass sie zu alt wird, ihr Haus alleine zu bewirtschaften, und beginnt nach einem geeigneten Altersheim für seine Mutter zu suchen. Dieser gleitet ihr Leben immer mehr aus den Händen, als sie entdeckt, dass der Nebel, der manchmal vor ihrem Haus aufzieht, anscheinend ein Fenster zu einer anderen Welt ist.

Manche der Texte hatten die Eigenschaft, durchaus interessant zu sein, wenn auch nicht im Sinne der Anthologie. Der Science-Fiction-Text „Die Hände, die nicht da sind“ von Melinda Snodgrass ist so ein Fall. In diesem geht es um einen hochrangigen Beamten, der von einer Dame erst verführt und dann entführt wurde. In dieser Entführung wurde er in ein künstliches Koma versetzt und erhielt dann unfreiwillig ein völlig anderes Aussehen. Jemand anderes nahm seinen Platz in der Politik ein. All das erfolgte so täuschend echt, dass niemand den Wechsel bemerkte. Er zieht nun durch die Galaxis und erzählt allen seine Geschichte, doch anscheinend glaubt niemand ihm. Die in der Tat gefährliche Frau, die den Herrn verführte und den Doppelgänger einschleuste, wird dabei eher flach und uninteressant gezeichnet. Viel mehr reizt es zu erfahren, was aus dem politischen Komplott geworden wäre. Das war nebst Sandersons Geschichte der einzige Text, wo ich mir gewünscht hätte, mehr zu erfahren, während alle anderen zumeist in sich geschlossen waren.

Und dann gibt es noch die Machwerke, bei denen man das Buch am liebsten verbrannt hätte. „Ringen mit Jesus“ von Joe R. Lansdale war solch ein Werk. Die Handlung: Zwei gut achtzigjährige Ringer kämpfen seit Jahr und Tag um ein und dieselbe angeblich bildhübsche Frau. Ebenjene ist, gelinde gesagt, eine oberflächliche Nutte, die nur mit demjenigen ins Bett geht, der den Kampf gewinnt. Dabei wird mit unflätigen Schimpfwörtern und grausamen Metaphern leider nicht gegeizt. Von einer gefährlichen Frau ist hier weit und breit nichts zu sehen.

Das gleiche in „Ich weiß, wie man sie rauspickt“ von Lawerence Block. Handlung: Mann reißt Frau in der Bar auf, legt sie flach und ermordet sie am Ende. Tatsächlich: Mehr umspannt die Handlung nicht. Es handelt sich hier mehr oder weniger um einen Porno, der durch gelegentliche Rückblenden unterbrochen wird. In diesen Rückblenden klagt die Dame abwechselnd darüber, dass ihre Ehe unglücklich sei, und ihr Lover denkt über seine Vergangenheit nach. In der sich alles um Sex zu drehen scheint. Er bietet ihr im Laufe des Abends an, ihren Mann für sie zu ermorden, sodass sie beide glücklich miteinander zusammen sein können. Das Ende ist, wie gesagt, ihr Tod, der ihn augenscheinlich äußerst erregt. Mit einer gefährlichen Frau ist hier absolut nichts.

Darüber hinaus gibt es noch einige Texte, die mit diversen Stilschnitzern daher kommen. Der titelgebende Text von Sharon Kay Penman hat am Ende sogar eine Anmerkung der Autorin, in der sie erklären muss, warum ihre Protagonistin eine gefährliche Frau ist, und dabei nicht einmal sonderlich überzeugend argumentiert. Der Text selbst ist eine lose Aneinanderreihung von Ereignissen, die in keinem wirklichen Zusammenhang stehen.

Alles in allem ist das Lesegefühl eher durchwachsen. Man wird seine Lieblinge haben, aber auch seine hassenswerten Exemplare. Dennoch wird für viele mehr als nur ein lesenswerter Text dabei sein. Für Fans der in diesem Werk erschienen Autoren ist es also eine Überlegung wert. Notfalls kann man die schlechten Texte immer noch überblättern und hat nichts verpasst.




Daten
Königin im Exil, Orig. Dangerous Women:  ISBN 978-3-7341-6012-7, blanvalet 2015, 1115 Seiten, 16,99€

Weitere Rezensionen
- Demente Dementoren (Teil 1 & Teil 2)

2 Kommentare:

  1. Wie fandest du denn Abercrombies Beitrag? Ich habe in der First Law-Trilogie nicht unbedingt den Eindruck bekommen, dass er Frauencharakteren besondere Aufmerksamkeit schenkt und war erstaunt, dass er hier dabei ist.
    Ansonsten hab ich ja schon ein paar Mal mit der Anthologie geliebäugelt, allerdings hauptsächlich wegen Martin und Sanderson.

    Lg
    schreibratte

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. .... Joar .....
      Will heißen: Es war nicht direkt schlecht, aber vom Hocker gerissen hat's mich nun auch nicht.
      Wenn du nur auf bestimmte Autoren aus bist, kannst du schauen, ob's die Texte auch einzeln gibt oder es absehbar in Planung ist. Shadows for Silence in the Forests of Hell von Sanderson gibt es ja auch als Kindle EBook für einen Apfel und ein Ei auf Amazon.
      Ansonsten, wie ich es schrieb: Die Texte, die einem nicht gefielen, kann man überblättern, ansonsten sind auch ein paar Nette dabei.
      Grüße

      Löschen

Die Kommentarfunktion auf dem Blog ist abgestellt, um Spam zu vermeiden, aber auch, weil ich all der relativierenden "Ja, aber ...!"-Kommentare müde wurde, die sich mehr und mehr häuften, besonders bei Posts, die keine reinen Rezensionen waren. Ihr könnt mich immer noch über Twitter erreichen.

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.